Zum Unfug in der Kunst
Was ist Unfug? Unfug als Kunst ist nicht Humor oder Charme, sondern die offensichtliche Konstruktion: das Scheitern einer ernst zu nehmenden Narration oder Fiktion, welche zunächst ja das Ziel einer künstlerischen Arbeit zu sein scheint. Unfug ließe sich auch umschreiben mit Un-sinn. Das Unsinnige wird durch die Abwesenheit der Sinnhaftigkeit markiert. Wenn der Unfug oder Unsinn sich definiert durch die Abwesenheit von Sinn, was tritt dann an diese sich auftuende Leerstelle?
Der Unfug hat keinen Sinn, keinen Ort. Sinnhaftigkeit bedeutet auch Relevanz, bedeutet, ernst genommen und vielleicht überhaupt auch, wahrgenommen zu werden.
Zunächst bedeutet Unfug, nicht ernst zu sein. Nicht ernst zu sein, bedeutet auch nicht ernst genommen zu werden. Ernst genommen zu werden, ist oft eine Grundvoraussetzung um am gesellschaftliche Diskurs teilzunehmen. Nicht ernst genommen zu werden, bedeutet auch, keine gehörte Stimme zu haben. Gleichzeitig sind Kriterien die bestimmen, was ernst zu nehmen ist und was nicht, gerade im Kontext der Kunstproduktion durchaus zu problematisieren.
Wer als (professionelle:r) Künstler:in ernst genommen wird, hat auch bessere Chancen Teil der kapitalitischen Vermarkungskette zu werden, welche eine erfolgreiche Distribution der künstlerischen Werke erlaubt. Unfug im Rahmen der visuellen und darstellenden Künste als Strategie zu betreiben, bedeutet, verletzbar zu sein. Es bedeutet angreifbar zu sein und potentiell nicht ernst genommen zu werden. Es bedeutet, das künstlerische Arbeiten als 'nett', 'charmant' oder vielleicht auch 'hübsch' bezeichnet werden, aber weder rezipiert noch ausgestellt als ernst zu nehmende Kunst.
Die Produktion von Narration, Wissen und Gedanken findet immer in einem kulturellen Kontext statt. Um gehört zu werden, ernst genommen zu werden, müssen kulturelle Regeln befolgt werden. Humor ist Teil kultureller Kommunikation und bewegt sich trotzdem an einer Grenze zwischen dem, was als relevant und was schlicht als zu albern, um gehört zu werden, wahrgenommen wird.
Die gezielte Negation von Sinnhaftigkeit birgt ein großes Potential: Irritation schafft Unruhe, schafft Verwirrung und damit auch die Möglichkeit von Um/Unordnungen. Unfug vermag es, gängige Narrationen zu unterlaufen. Strategien wie Ironie oder Satire werden genutzt als Möglichkeit, Geschichten anders zu erzählen, zu überspitzen und dadurch zu hinterfragen. Hierbei setzen sich die Produzierenden des Unfugs dem Risiko aus, auch selbst nicht ernst genommen zu werden. Ob sie trotzdem gehört werden, hängt auch von der humoristischen Qualität und dem Narrativen Potential der von ihnen vorgeschlagenen Visualisierungen und Narrative ab. Doch auch ohne ernst genommen zu werden, sind Humor und Unfug wesentlicher Faktor bei der Schaffung von Gestaltungsspielräumen.
Warum ich Unfug mache
Als junge Frau in einer kapitalistisch-patriarchal geprägten Gesellschaft ist mir die Angst, nicht ernst genommen zu werden durchaus bekannt. Unfug als Begriff erlaubt mir, ein künstlerisches Ich von mir zu erkunden, das nicht ernst genommen werden will und muss. Dieses Ich ist in gewisser Weise befreit von der Gefahr, nicht ernst genommen zu werden, sondern will genau das erreichen. Dieses Ich kann lustvoll scheitern und eine Angst zur Qualität machen. Die klassische Unterscheidung zwischen E- und U-Kultur (Ernster und Unterhaltungskultur) zeigt eine wesentliche Frage der westlichen Kunstrezeption auf: ist es ernste Kunst oder ist sie zur Unterhaltung gedacht? Offensichtlich kann Kunst nicht beides gleichzeitig sein – ernst und unterhaltsam. Während die Unterhaltungskultur finanziell gesehen die mächtigere ist, so haftet ihr doch auch immer das Stigma des Profanen an gegenüber der ernsten Hochkultur.
Historisch gesehen korrelieren gesellschaftliche Schichten mit der Art von Kunst, die sie rezipieren und obwohl sich dies weitestgehend aufgelöst hat, so bleiben Unterscheidungen und Stigmatisierungen. Wer würde den Besuch eines klassischen Konzerts schließlich gleichsetzen mit einem gemeinsamen Abend um das Germany's Next Topmodel Finale anzuschauen? Klassismus ist eben doch präsent und die Erzählung der gleichberechtigten Gesellschaft höchstens eine Gutenachtgeschichte.
Der Unfug öffnet mir einen Zwischenraum. Unfug ist witzig, witzig ist Unterhaltung. Unfug erschafft Irritation und diese hilft mir dabei, mich von meiner eigenen Mystifizierung von Kunst/Künstler:in zu distanzieren. Kunst immer in Kategorien von Seriosität/Verkäuflichkeit oder Qualität entwickeln zu wollen, nimmt auch Freiheiten. Unfug als Kunst zu machen, kann mir diese wiedergeben.
Ein kurzes Manifest des Unfugs
Unfug entzieht sich der Logik von Sinn und Nutzen
Unfug ist Un-Sinn. Sinn ist ohnehin Unfug.
Unfug genügt sich selbst, ist nicht Humor zum Zeigen, genügt sich selbst im Prozess
Unfug lädt ein zum mitmachen, denn es ist eigentlich nicht schwer
Unfug braucht Sicherheit
Unfug macht verletzlich
Unfug ist das bewusste Scheitern der Aufrechterhaltung eines ernstzunehmenden Narrativs
Unfug ist frei von Qualität.
Es gibt keinen guten Unfug wie es vielleicht guten Humor gibt
Unfug ist befreit von dem Wunsch, mehr zu sein als er ist
Unfug ist keine Satire
Unfug ist Spaß, der nicht verwertbar ist
Deshalb: Macht mehr Unfug.
Text und Manifest von Emilia Schlosser
Zum Unfug in der Kunst
Was ist Unfug? Unfug als Kunst ist nicht Humor oder Charme, sondern die offensichtliche Konstruktion: das Scheitern einer ernst zu nehmenden Narration oder Fiktion, welche zunächst ja das Ziel einer künstlerischen Arbeit zu sein scheint. Unfug ließe sich auch umschreiben mit Un-sinn. Das Unsinnige wird durch die Abwesenheit der Sinnhaftigkeit markiert. Wenn der Unfug oder Unsinn sich definiert durch die Abwesenheit von Sinn, was tritt dann an diese sich auftuende Leerstelle?
Der Unfug hat keinen Sinn, keinen Ort. Sinnhaftigkeit bedeutet auch Relevanz, bedeutet, ernst genommen und vielleicht überhaupt auch, wahrgenommen zu werden.
Zunächst bedeutet Unfug, nicht ernst zu sein. Nicht ernst zu sein, bedeutet auch nicht ernst genommen zu werden. Ernst genommen zu werden, ist oft eine Grundvoraussetzung um am gesellschaftliche Diskurs teilzunehmen. Nicht ernst genommen zu werden, bedeutet auch, keine gehörte Stimme zu haben. Gleichzeitig sind Kriterien die bestimmen, was ernst zu nehmen ist und was nicht, gerade im Kontext der Kunstproduktion durchaus zu problematisieren.
Wer als (professionelle:r) Künstler:in ernst genommen wird, hat auch bessere Chancen Teil der kapitalitischen Vermarkungskette zu werden, welche eine erfolgreiche Distribution der künstlerischen Werke erlaubt. Unfug im Rahmen der visuellen und darstellenden Künste als Strategie zu betreiben, bedeutet, verletzbar zu sein. Es bedeutet angreifbar zu sein und potentiell nicht ernst genommen zu werden. Es bedeutet, das künstlerische Arbeiten als 'nett', 'charmant' oder vielleicht auch 'hübsch' bezeichnet werden, aber weder rezipiert noch ausgestellt als ernst zu nehmende Kunst.
Die Produktion von Narration, Wissen und Gedanken findet immer in einem kulturellen Kontext statt. Um gehört zu werden, ernst genommen zu werden, müssen kulturelle Regeln befolgt werden. Humor ist Teil kultureller Kommunikation und bewegt sich trotzdem an einer Grenze zwischen dem, was als relevant und was schlicht als zu albern, um gehört zu werden, wahrgenommen wird.
Die gezielte Negation von Sinnhaftigkeit birgt ein großes Potential: Irritation schafft Unruhe, schafft Verwirrung und damit auch die Möglichkeit von Um/Unordnungen. Unfug vermag es, gängige Narrationen zu unterlaufen. Strategien wie Ironie oder Satire werden genutzt als Möglichkeit, Geschichten anders zu erzählen, zu überspitzen und dadurch zu hinterfragen. Hierbei setzen sich die Produzierenden des Unfugs dem Risiko aus, auch selbst nicht ernst genommen zu werden. Ob sie trotzdem gehört werden, hängt auch von der humoristischen Qualität und dem Narrativen Potential der von ihnen vorgeschlagenen Visualisierungen und Narrative ab. Doch auch ohne ernst genommen zu werden, sind Humor und Unfug wesentlicher Faktor bei der Schaffung von Gestaltungsspielräumen.
Warum ich Unfug mache
Als junge Frau in einer kapitalistisch-patriarchal geprägten Gesellschaft ist mir die Angst, nicht ernst genommen zu werden durchaus bekannt. Unfug als Begriff erlaubt mir, ein künstlerisches Ich von mir zu erkunden, das nicht ernst genommen werden will und muss. Dieses Ich ist in gewisser Weise befreit von der Gefahr, nicht ernst genommen zu werden, sondern will genau das erreichen. Dieses Ich kann lustvoll scheitern und eine Angst zur Qualität machen. Die klassische Unterscheidung zwischen E- und U-Kultur (Ernster und Unterhaltungskultur) zeigt eine wesentliche Frage der westlichen Kunstrezeption auf: ist es ernste Kunst oder ist sie zur Unterhaltung gedacht? Offensichtlich kann Kunst nicht beides gleichzeitig sein – ernst und unterhaltsam. Während die Unterhaltungskultur finanziell gesehen die mächtigere ist, so haftet ihr doch auch immer das Stigma des Profanen an gegenüber der ernsten Hochkultur.
Historisch gesehen korrelieren gesellschaftliche Schichten mit der Art von Kunst, die sie rezipieren und obwohl sich dies weitestgehend aufgelöst hat, so bleiben Unterscheidungen und Stigmatisierungen. Wer würde den Besuch eines klassischen Konzerts schließlich gleichsetzen mit einem gemeinsamen Abend um das Germany's Next Topmodel Finale anzuschauen? Klassismus ist eben doch präsent und die Erzählung der gleichberechtigten Gesellschaft höchstens eine Gutenachtgeschichte.
Der Unfug öffnet mir einen Zwischenraum. Unfug ist witzig, witzig ist Unterhaltung. Unfug erschafft Irritation und diese hilft mir dabei, mich von meiner eigenen Mystifizierung von Kunst/Künstler:in zu distanzieren. Kunst immer in Kategorien von Seriosität/Verkäuflichkeit oder Qualität entwickeln zu wollen, nimmt auch Freiheiten. Unfug als Kunst zu machen, kann mir diese wiedergeben.
Ein kurzes Manifest des Unfugs
Unfug entzieht sich der Logik von Sinn und Nutzen
Unfug ist Un-Sinn. Sinn ist ohnehin Unfug.
Unfug genügt sich selbst, ist nicht Humor zum Zeigen, genügt sich selbst im Prozess
Unfug lädt ein zum mitmachen, denn es ist eigentlich nicht schwer
Unfug braucht Sicherheit
Unfug macht verletzlich
Unfug ist das bewusste Scheitern der Aufrechterhaltung eines ernstzunehmenden Narrativs
Unfug ist frei von Qualität.
Es gibt keinen guten Unfug wie es vielleicht guten Humor gibt
Unfug ist befreit von dem Wunsch, mehr zu sein als er ist
Unfug ist keine Satire
Unfug ist Spaß, der nicht verwertbar ist
Deshalb: Macht mehr Unfug.
Text und Manifest von Emilia Schlosser